Auslandsdeutsche Schimpfe

 

Gegenwärtig bin ich das mal wieder: Ein Deutscher im Ausland. Und ich bin wütend. Schlimmer: Ich schäme mich. Mal wieder. Besonders jetzt zwischen Vatertag und Pfingstochsen am Grill. -

Vom früheren Hamburger Polizeipräsidenten hörte ich in einer Weiterbildung, mit was für Geschenken ein Land rechnen darf, wenn es seine Grenzen grenzenlos öffnet. Geschenke, die mittel- und osteuropäische Nachbarn von uns vor und erst recht nach 1989 erhielten.

Der Polizeipräsident bewies uns, dass erst Prostitution in das neue offene Land gebracht wird, Prostitution im großen Stil, d. h. westlich organisiert drüben wie hüben. Danach folgt Waffenhandel, heimlicher unter den Ladentisch, politischer knapp oberhalb deren Tischkante.

Als Letztes folgen Drogen. Und mit Prostitution, Waffen und Drogen folgen die Folgen davon für die jeweiligen Länder, die diese noch weniger bezahlen können als wir Pleitegeier hierzulande (was psychosozia-- le Gesundheit betrifft). (Der Polizeipräsident war ein untypischer, denn er schrieb noch Bücher über das, was er tat und war entsprechend nur kurz Polizeipräsident, danach was Glücklicheres.)

Hier in Ungarn lerne ich, was wir Deutschen - ganz speziell wir - an weiteren Geschenken in petto haben. Kein Restaurant an der Donau zwischen Buda oder Pest (bekannter als Buda. pest) oder hier in Vac zwischen Budapest und Debrecen, wo mir nicht eine schriftliche Einladung mit der Rechnung überreicht wurde: Zum Vatertag". Da wird garantiert, dass Vatertag auch in Ungarn demnächst einer der hohen Feiertage wird: Die Ehefrauen müssen (gleich auf der Einladung) unterschreiben, dass sie zwar mitkommen dürfen, wenn sie sich gut führen, aber nicht meckern, nicht Nein sagen zu den Bedürfnissen des Mannes und ihn, wenn er voll genug ist, klaglos nach Hause karren. Alte originale ungarische Schiebkarren aus Holz vorhanden und auch zu kaufen.

Ich habe recherchiert: Zwei von den Besitzern, Pächtern dieser Gründer neuer Feiertage für ungarische Männer sind Österreicher, vier Deutsche. Sagte ich schon, dass ich mich schäme? Nicht wegen der Ausrutscher dieser und anderer charakterlich verlorener, materiell gewinnender Restaurantbesitzer - deren Niveau ist irreparabel.

Aber ich denke daran, woran ungarische Frauen, Mädchen, Männer und Jungen denken, wenn sie in diesen Tagen „Deutschland" hören. Oder gar an „deutsche Männer" denken. Es ist nur mein Trost, dass ich vom echten deutschen Vatertag weiß.

Es tingeln überwiegend Männer mit Schubkarren voller Alkohol durch die Straßen und in Klos, die - keine Väter sind. Das wissen die hier aber nicht. Sie wissen auch nicht, dass „Himmelfahrtstag" auch in Deutschland -noch-ein Feiertag ist. Wenngleich ein verkümmernder. Essen und Trinken halten Leib und Seele zusammen? Noch mehr davon und es macht uns krank.

Mich jetzt schon hier in Ungarn, wo mich Katalin und ihr Mann zu pflegen versuchen gegen die unheilbare deutsche Krankheit. Trinken mit Saufen und Speisen mit Fressen zu verwechseln.

Pfingsten steht vor der Tür. Mir steht es bevor. Der eine (deutsche) Gastwirt hat ein Plakat ausgehängt (auf ungarisch): Wissen Sie, wie man in Deutschland Pfingsten feiert? Mit gegrilltem Ochsenfleisch... und Holzschubkarren um die Ecke.

 

26. Juni 2001